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Freitag, 26. April 2024
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Internationale Tag des Waldes am 21.03.2021

Jährlich werden 13 Millionen Hektar Wald zerstört, was 12 bis 20 Prozent der jährlichen globalen Treibhausgasemissionen ausmacht, die zum Klimawandel beitragen. Meist werden Länder in Südamerika und Afrika dafür verantwortlich gemacht. Gleichzeitig boomen Aufforstungsinitiativen. Das Jane Goodall Institut – Austria, das seit 2011 über 1,5 Millionen Bäume gepflanzt hat, sieht planlose Aufforstung kritisch und ortet in der CO2-Diskussion einen Verantwortungskonflikt.

Bäume pflanzen ist „in“. Fotos von Menschen mit saftig-grünen Baumsprösslingen, Spaten, Gießkanne und frischer Erde machen sich gut – in den Sozialen Medien ebenso wie in CSR-Berichten. Wer so ein Bild sieht, denkt: hier wird was für eine lebenswerte Zukunft getan. Doch wie sinnvoll ist Aufforstung? Laut einer Studie der ETH Zürich könnten ganze zwei Drittel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen durch das Pflanzen neuer Bäume ausgeglichen werden.

Aufforstung alleine wird uns nicht retten
Diana Leizinger, Geschäftsführerin des Jane Goodall Institut – Austria sieht die Entwicklung kritisch: „Es entsteht der Eindruck, dass allein mit großflächiger Aufforstung die Klimakrise bewältigbar ist. Das ist falsch. Es braucht eine Vielfalt an Maßnahmen. Denn um zwei Drittel der CO2-Emissionen durch Aufforstung auszugleichen, müssten weltweit 900 Millionen Hektar bepflanzt werden. Das ist eine Fläche, die in etwa jener der USA entspricht! Land, das zum großen Teil in Privatbesitz ist. Stellen Sie sich vor jemand würde vor Ihrer Haustür stehen und Ihnen sagen, dass Ihr Garten zum Wald werden muss um den Klimawandel einzudämmen. Wie würden Sie reagieren?“ Selbst wenn eine Bepflanzung dieser Dimension in einer gemeinsamen globalen Anstrengung realisiert wird: Die Wirkung tritt nicht unmittelbar ein – der Wald muss erst wachsen um Kohlenstoff nach und nach aufzunehmen.

Sich geschlagen geben oder auf Aufforstung zu verzichten, ist für die Biologin, die mit dem JGI-A in Kooperation mit Ecosia, der Austrian Development Agency und dem Klimaministerium ein mehrjähriges Aufforstungsprojekt in Uganda umsetzt, keine Option. Im Gegenteil, Leizinger fordert einen neuen Blickwinkel: „Wir Europäer müssen aufhören mit dem Finger auf Länder in Südamerika und Afrika zu zeigen und selbst Verantwortung übernehmen statt das Problem auszulagern.“ Viele reiche Länder importieren Nahrung und Holz aus ärmeren Ländern. Sie meinen dann nicht mehr auf Raubbau an Ressourcen, Fairness bei der Bezahlung oder Nachhaltigkeit in der Produktion achten zu müssen. 1,2 Millionen Menschen setzen sich mit der Petition Together4Forests dafür ein, dass die EU ein Gesetz erlässt, das ab Ende 2021 keine Produkte mehr auf dem europäischen Markt zulässt, die mit der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes in Verbindung stehen. Ein wichtiger Schritt zu mehr Klimagerechtigkeit.

Verständnis für Aufforstung schaffen
„Das Pflanzen der Bäume ist nur ein kleiner, wenn auch wichtiger Teil unseres Aufforstungsprojekts in Uganda.“, so Leizinger. Zuerst müssen die Menschen, deren tägliches Überleben vom Ertrag ihrer Felder abhängt, die Bedeutung und den Nutzen des Waldes verstehen und die Möglichkeit haben sich weiterhin mit Lebensmitteln zu versorgen. „Wir können von Menschen deren tägliches Überleben von ihrem Grund und Boden abhängt nicht verlangen mehr Interesse oder Verständnis für den globalen Klimawandel und entsprechende Maßnahmen aufzubringen, als wir in Europa.“, verdeutlicht Leizinger.
Für die holistischen Aufforstungsprojekte des Instituts ist Zeit und geschultes Personal notwendig, das die Kultur der Bevölkerungsgruppe kennt und versteht sowie in der jeweiligen Sprache – allein in Uganda gibt es 40 endemische Sprachen – in den Dörfern Schulungen macht, Vorurteile überwindet und konkreten Wissenstransfer anbietet – von nachhaltiger Landwirtschaft bis zur Aufzucht von Baumsetzlingen und der Waldpflege. Seit 2011 hat das JGI-A in Zusammenarbeit mit dem Institut in Uganda in 65 Dörfern Workshops abgehalten und rund 25.000 Menschen erreicht. Es arbeitet dabei nach den 5 Kriterien im Anschluss. Am wichtigsten ist jedoch, so Leizinger, dass den Menschen in Afrika wie in Europa wieder bewusst wird, welche Bedeutung intakte Wälder für uns Menschen haben.

Die Verbindung zum Wald (wieder-)entdecken
Dr. Jane Goodall, die eine nahezu mystische Verbindung zu Wäldern hat, erkannte bereits in den 90er Jahren, dass der Schutz der Schimpansen für die sie einst berühmt wurde, sowie zahlreiche anderer Tierarten nur möglich ist, wenn sie die Menschen dafür gewinnen kann. „Ich habe Wälder schon immer geliebt. Alte Bäume können in den Menschen, die sie zu schützen versuchen, eine tiefe Leidenschaft erwecken. Bäume sind auch unser günstigster und effizientester Weg, die globale Erwärmung zu verlangsamen. Meine Aufgabe ist es, mich für eine Welt einzusetzen, in der wir in Harmonie mit der Natur und insbesondere den Wäldern leben können.“, sagt Jane Goodall über ihre Mission.
Große Hoffnung setzt sie in ihr Kinder- und Jugendprogramm „Roots & Shoots“, bei dem sich über 100.000 junge Menschen weltweit für Projekte zum Schutz von Mensch, Tier und Natur einsetzen. In Österreich haben sich in den letzten 10 Jahren rund 1.500 Gruppen mit zehntausenden Kindern und Jugendlichen bei Roots & Shoots-Projekten engagiert.

5 KRITERIEN WIE AUFFORSTUNG SINN MACHT – IN AFRIKA UND EUROPA:

1. Bestehende Wälder müssen geschützt werden
Wälder mit altem Baumbestand sind Orte mit beträchtlicher Biodiversität und die größten Kohlenstoffspeicher. Das Pflanzen junger Bäume muss Hand in Hand mit dem Schutz bestehender Waldgebiete gehen.

2. Die richtigen Baumarten müssen gepflanzt werden
Weltweit gibt es 60.000 verschiedene Baumarten. Nicht alle eignen sich gleich gut zur Aufforstung. Durch den Klimawandel ändern sich Standortbedingungen derzeit so schnell, dass nicht alle Pflanzen sich entsprechend anpassen können. Baumarten, die bis vor kurzem als heimisch galten, wie hierzulande Buche und Fichte, leiden unter zunehmender Hitze und Wassermangel. Mit dem nötigen Weitblick hinsichtlich zukünftiger Klimaszenarien müssen jene Baumarten gewählt werden, die standortangepasst und langfristig überlebensfähig sind.

3. Mischkulturen müssen den Vorrang haben
Rasch wachsende Monokulturen sind keine gute oder nachhaltige Wahl, da sie anfälliger für Schädlinge sind, weniger Tieren und Pflanzen Schutz und Nahrung bieten und weniger CO2 speichern. Auch wenn die Aufzucht und der Erhalt von Mischkulturen etwas aufwändiger ist – der Wald ist gesünder und widerstandsfähiger.

4. Die Interessen der lokalen Bevölkerung müssen berücksichtigt werden
Ohne die Akzeptanz der Menschen vor Ort, ist jedes Aufforstungsprojekt zum Scheitern verurteilt. In Afrika, wo die Bevölkerung rasant wächst und die Menschen Platz zum Leben brauchen, müssen deren Interesse einbezogen werden. Für jedes Projekt bedarf es der Bewusstseinsbildung für den Schutz der bestehenden und die Aufforstung neuer Wälder. In Workshops müssen die vielschichtigen Faktoren, die ein gesunder Wald mit sich bringt, vermittelt werden: Regulierung des Grundwassers und sauberes Trinkwasser, gesunder Boden, Schutz vor Dürre und Austrocknung, mehr Lebensqualität, weniger Mensch-Tier-Konflikte, wirtschaftliche Vorteile durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft.

5. Aufforstung ist kein CO2-Freifahrtsschein
Aufforstung macht dann Sinn, wenn parallel weitere Maßnahmen zur Eindämmung des CO2-Ausstoßes getroffen werden. Politik, Wirtschaft und Privatpersonen können nachhaltig Verantwortung übernehmen, indem sie das Pflanzen von Bäumen als eine Maßnahme neben vielen weiteren umsetzen, aber nicht um das schlechte Gewissen zu beruhigen.

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